Risiken einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung und Folgen
nach § 19 VVG

Nach vielen Jahren gezahlter Versicherungsprämien verweigert der Versicherer auf einmal die beantragten Leistungen auf Berufsunfähigkeit.

Begründung: vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung nach § 19 VVG. Was bedeutet das für Sie und auf was müssen Sie achten bei Vertragsabschluss und bei einem Leistungsantrag, um eine vorvertragliche Anzeigenpflichtverletzung zu vermeiden?


Vorab erst einmal, was ist der Inhalt des § 19 Abs.1 VVG?

"Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet."

Übersetzt heißt es, Sie müssen alle Gesundheitsfragen zum Zeitpunkt der Antragstellung des Versicherungsvertrages wahrheitsgemäß beantwortet haben. So kann z.B. der Besuch einer Rettungsstelle in einem Krankenhauses wegen der Entfernung einer Zecke bereits als Krankenhausaufenthalt gewertet werden. Wurde der Besuch im Krankenhaus im Versicherungsantrag nicht angegeben, könnte das schon eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung bedeuten, auch wenn die Behandlung nicht mit einer Übernachtung zusammenhängt (siehe auch weiter unten im Text das Beispiel).

Hat er diese vorvertragliche Anzeigeobliegenheit schuldhaft verletzt, kann der Versicherer den Rücktritt erklären (§ 19 Absatz 2 VVG) und wäre entweder von der Versicherungsleistung frei (§ 21 Absatz 2 VVG) oder der Vertrag wird rückwirkend mit einem Risikoausschluss vereinbart. Hat jedoch der Versicherungsnehmer weder vorsätzlich noch grob fahrlässig (§ 19 Absatz 3 Satz 1 VVG) bei Antragstellung gehandelt, kann sich der Versicherer sich nicht auf seine Leistungsfreiheit berufen. Haben Sie die Anzeigepflicht grob fahrlässig verletzt, besteht für den Versicherer ein Rücktrittsrecht grundsätzlich nur innerhalb von 5 Jahren ab Vertragsschluss und bei Vorsatz und Arglist nur binnen 10 Jahren ab Vertragsschluss. Der Versicherungsnehmer hat also bis zur Annahme des Versicherungsantrages durch den Versicherer alle ihm bekannten erheblichen Gefahrumstände anzuzeigen. Zudem muss der Versicherer rechtzeitig vor Abgabe seiner Erklärung auf die möglichen Rechtsfolgen einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit gemäß § 19 Absatz 5 VVG durch eine gesonderte Mitteilung in Textform hingewiesen haben. Durch das neue VVG ab 01.01.2008 wurde für die Verbraucher mehr Sicherheit geschaffen, so reicht nicht mehr nur eine Vermutung einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung, sondern die Verletzung muss objektiv nachgewiesen werden. Sind die Klauseln unverständlich und unklar, geht es zu Lasten des Versicherers.

Vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung?
Also alle gefahrerheblichen Umstände die der Versicherer wissen muss, sind anzugeben. Was ist jedoch unter "gefahrerheblich" zu verstehen? Ein Beispiel zeigt, wie schwer es seitens des Versicherungsnehmers ist, dass selbst einschätzen zu können.


Beispiel: Ein Zeckenbiss in bayerischen Wald könnte auch aus Sicht und Erfahrung des Antragstellers ein gefahrerheblicher Umstand sein, der angegeben werden muss. Lebt der Antragsteller in Berlin, wird wahrscheinlich ein Zeckenbiss so harmlos eingeschätzt werden, dass man eventuell gar nicht mehr daran denkt, es vergessen hat und es somit im Antrag einfach nicht mit angegeben hat. Nun kommt es bereits nach einem halben Jahr nach dem Versicherungsbeginn zu einem Leistungsfall und der Versicherer versagt den in Berlin lebenden Versicherten die Leistungen wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung. Der Versicherte versteht nun gar nichts mehr. Aus Sicht des Versicherers stellt sich jedoch die Frage, ob möglicherweise eine Borreliose durch den Zeckenbiss hätte folgen können und den damals gestellten Antrag ohne einen negativen Labor-Nachweis gar nicht angenommen und für ein Jahr die Antragstellung zurückgestellt hätte.

Sie glauben das klingt etwas an den Haaren herbeigezogen? Im Jahr 2012 wurde bei uns ein Antrag auf Berufsunfähigkeitsversicherung nicht angenommen und für ein Jahr zurückgestellt. Aus diesem Beispiel erkennt man sehr gut, dass man nicht immer selbst einschätzen kann, was für den Versicherer gefahrerheblich sein kann und anzeigepflichtig ist. Aus diesem Grund beantworten Sie lieber alles innerhalb der gestellten Fragen, dass heißt aber auch "nicht mehr".


Zur Sicherheit sollten Sie zur Selbstkontrolle Ihren Arzt oder die Krankenversicherung über die letzten 5 bis 10 Jahre um Auskunft bitten und eine Liste der Abrechnungen und Behandlungen in Kopie zu senden lassen.

Was gilt für Verträge die vor 2008 abgeschlossen wurden?
Ab 1. Januar 2009 gelten auch für Altverträge die bis zum 31.12.2007 abgeschlossen wurden, ebenfalls dass neue VVG ab 01.01.2008. Eine Ausnahme ist für Versicherungsfälle zu Altverträgen vorgesehen, die bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten sind. Für diese gilt auch nach diesem Stichtag das alte Recht. Wenn nun auch für die alten Verträge die neuen Rechte gelten, so ergibt sich daraus, dann der Versicherer bei Vorsatz oder Arglist bis zu 10 Jahren vom Vertrag zurück treten kann. Für Verträge die beispielsweise im Jahr 2001 abgeschlossen wurden, kann der Versicherer nur innerhalb 2011 zurücktreten.


Für ältere Verträge ergibt sich dadurch eine Heilung von möglichen vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzungen. Für jüngere Verträge könnte u.U. es sinnvoll sein, solange mit einer BU-Antragstellung zu warten, bis die 10 Jahre vorbei sind, um mögliche Rücktrittsrechte des Versicherers auszuschließen.

Aber Achtung: Nicht selten haben einige Versicherer unter dem Motto einer „Sonderaktion“ Umstellungsaktionen angeboten, ohne erneute Gesundheitsfragen in eine Basisrente mit BU-Absicherung wechseln zu können. In solch einem Fall könnte das Rücktrittsrecht unter bestimmten Umständen verlängert werden.

Will sich die versicherte Person gegen einen Rücktritt oder einer Leistungsfreiheit wehren, so bleibt meistens nur der Weg über das Gericht. Nicht selten stehen die Aussagen dann hart gegenüber. Kann der Richter nicht erkennen, wer Recht oder Unrecht hat, wird überwiegend zum Nachteil der Partei entschieden, die die Beweislast zu tragen hat und diese nicht ausreichend erfüllen konnte.

Check-Liste für Grundlagen die zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen können, z.B.:

  • Es lag ein objektiv erheblicher Gefahrumstand zum Zeitpunkt der Antragstellung vor.
  • Die Antragsfragen waren für den Versicherungsnehmer eindeutig und verständlich gewesen.
  • Der Versicherungsnehmer hatte grob fahrlässig oder mit Arglist gehandelt.
  • Der Versicherer hat die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung bewiesen.
  • Der Versicherer hat über einen Rücktritt in Textform hingewiesen.
  • Der Versicherer hat vor Erfüllung der Anzeigepflicht dem Versicherungsnehmer rechtzeitig die Gesundheitsfragen zur Verfügung gestellt.
  • Bei einem Vertreter kann der Versicherer nachweisen, dass der Antrag entsprechend den Angaben des Versicherungsnehmers aufgenommen wurde.

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