Wo liegt der Unterschied zwischen "arbeitsunfähig" oder "berufsunfähig" zu sein?

Eine Abgrenzung der Berufsunfähigkeit zur Arbeitsunfähigkeit findet man einerseits im Arbeits- und Sozialrecht (z.B. § 92 SGB V „Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses“, oder § 240 II SBG VI Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit) und andersfall in privaten Versicherungsbedingungen, der Unterschied ist meistens nicht klar definiert oder verständlich. Was bedeutet arbeitsunfähig zu sein?

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Arbeitsunfähig können Selbständige aber auch Arbeitnehmer werden. Arbeitnehmer haben im Falle einer Arbeitsunfähigkeit in der Regel arbeitsrechtlich einen bis zu sechswöchigen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Selbständige dagegen einen Anspruch auf Krankentagegeld, wenn dies privat oder freiwillig versichert wurde und kann sich in der Höhe und in der Karenzzeit bis zum Leistungsbeginn unterscheiden. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist mit dem Begriff der Erwerbsminderung (früher Erwerbsunfähigkeit) laut § 240 II SBG VI "Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit" in der gesetzlichen Rentenversicherung zu unterscheiden. Eine Dienstunfähigkeit dagegen ist ein beamtenrechtlicher Begriff der in diesem Artikel nicht weiter beschrieben wird.

Die Begrifflichkeit der Arbeitsunfähigkeit ist in § 92 SGB V „Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses“ geregelt und dient zur Sicherung der ärztlichen Versorgung und über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Der Gemeinsame Bundesausschuss gewährleistet also über Richtlinien, unter welchen Voraussetzungen z.B. eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, so heißt es z.B. unter Pkt. 7: Das der Gemeinsame Bundesausschuss insbesondere Richtlinien beschließen soll, über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a und der nach § 10 versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches.

Eine private Berufsunfähigkeit liegt im überwiegenden Sinn vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechender Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50% außer Stande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf nachzugehen. Diese Erklärung kann jedoch je nach Tarif und Bedingung abweichen. Es sind also zwei völlig unterschiedliche Voraussetzungen die zu einer Leistung führen.

Es stellt sich nun die Frage:
Bezahlt die Berufsunfähigkeits-Versicherung auch bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit die versicherte BU-Rente?

Wenn also Arbeitsunfähigkeit auf Grund einer Krankheit vorliegt und seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung seiner Erkrankung ausführen kann, liegt noch keine Berufsunfähigkeit im Sinn einer privaten Berufsunfähigkeit vor. Die Anerkennung einer Berufsunfähigkeit bedarf also weiterer Merkmale und darf nicht vorübergehend sein. Hat jedoch der Versicherer eine Klausel in den Vertragsbedingungen enthalten, die bei einer sechs monatigen Arbeitsunfähigkeit auch die Berufsunfähigkeit anerkennt, so ist für den Verbraucher bzw. der versicherten Person diese Regeleung eine zusätzliche Sicherheit, unabhängig von der allgemeinen BU-Regel eine Rente zu erhalten.

Nicht selten wir diese Klausel kontrovers diskutiert und unterschiedlich darüber philosophiert.

Welche Fragen oder Risiken könnten bei der Anerkennung des „gelben Zettel“ als Berufsunfähigkeit für den Versicherer oder der versicherten Person entstehen?

1. Könnte für den Versicherer solch eine Klausel erhebliche, wirtschaftliche Nachteile bedeuten?

Es ist nicht auszuschließen, dass solch eine Klausel bei einer hohen Anzahl von Leistungsfällen aufgrund der zusätzlichen Anerkennung der Arbeitsunfähigkeit als Berufsunfähigkeit auch einen wirtschaftlichen Nachteil für den Versicherer bedeuten kann. In diesem Fall könnte im schlimmsten Fall eine Erhöhung der Versicherungsprämie zur Folge haben. Das kann jedoch jeder Versicherer mindestens bis zur Höhe des Bruttobeitrages, soweit eine Überschussverrechnung erfolgte.

Es stellt sich dabei eher die Frage, ob auch über dem Bruttobeitrag hinaus der Versicherer die Prämien erhöhen kann? Auch das ist möglich, wenn der Versicherer nicht auf dem § 163 VVG verzichtet. Wenn der Versicherer nicht auf § 163 VVG verzichtet, ist das gleichzeitig auch ein Anzeichen für wirtschaftliche Schwierigkeiten? Grundsächlich muss man dies verneinen, da ein Großteil der Versicherer nicht auf den § 163 VVG verzichtet. Dann müsste man jeden Versicherer erst einmal verdächtigen und eventuell künftige wirtschaftliche Schwierigkeiten unterstellen. Selbst Versicherer mit weniger Leistungsinhalten könnten finanziellen Probleme bekommen, wenn aus Konkurrenzgründen zu knapp die Versicherungsprämien kalkuliert wurden, dazu die Abschluss- und Verwaltungskosten zu hoch sind und die Gesamterträge, z.B. aus Kapitalanlagen zu klein sind. Pauschale Argumentationen sind hier nicht dienlich und verunsichern nur den Verbraucher.

Erkennt der Versicherer also die Arbeitsunfähigkeit auch als Berufsunfähigkeit an und verzichtet dazu noch auf § 163 VVG, wäre das für die versicherte Person die beste Lösung. Auch wenn der Versicherer nicht auf § 163 VVG verzichtet, kann nicht gleich angenommen oder unterstellt werden, dass der Versicherer wirtschaftlich Probleme bekommen wird. Zudem wird gerade auch von vielen Versicherern die nicht auf § 163 VVG verzichten, dies als positiv dargestellt. Der § 163 VVG wird an anderer Stelle genauer erklärt.

2. Reicht der „gelbe Schein“ alleine aus um eine BU-Rente zu erhalten?

Natürlich nicht! Eine Arbeitsunfähigkeit ist nicht mit einer Berufsunfähigkeit gleich zu setzen. Jede Klausel eines Versicherers die erfüllt werden soll, muss im einzelnen erst einmal durch die versicherte Person bewiesen werden, egal ob es sich um eine Pflegebedürftigkeit handelt, einer Dienstunfähigkeit, oder der Verlust der Lebensstellung, so eben auch die Arbeitsunfähigkeit, da es sich jeweils um eine eigenständige Klausel handelt.

Wie aus dem § 92 SGB V „Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses“ hervorgeht, muss bewiesen werden, dass die versicherte Person seine ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausführen kann, verursacht durch einen körperlichen oder geistigen Zustand, z.B. durch einen Unfall oder Krankheit und auch dazu führt, dass er außerstande ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Schwangerschaft ist nun auch keine Krankheit oder auch kein Unfall (was man auch manchmal anders denken könnte). Der „gelbe Schein“ alleine könnte auch andere Begehrlichkeiten wecken, wenn der Vater, die Mutter oder ein guter Freund ein Arzt ist, sowie eine kriminelle Energie nicht auszuschließen ist. Also die Arbeitsunfähigkeit muss begründet, plausibel und nachprüfbar sein. Zudem muss auch geprüft werden, ob eine eventuelle Ausschlussklausel zum tragen kommt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist also kein Freifahrtschein, aber sie kann eine Leistungsanerkennung stark erleichtern und die Frist bis zur ersten Zahlung einer BU-Rente stark reduzieren. Nicht selten müssen oft versicherte Personen Jahre lang durch ein Klageverfahren sich durch boxen um die versicherte Rente zu erhalten. Bei der Anerkennung einer Arbeitsunfähigkeit ist aber bereits nach 6 Monaten der Anspruch gegeben.

3. Muss trotz Anerkennung einer Arbeitsunfähigkeit auch eine 50%‘tige Berufsunfähigkeit bestehen?

Nein, hat der Versicherer nur die Arbeitsunfähigkeit wortwörtlich ohne weitere Einschränkungen in den Vertragsbedingungen in den Bedingungen aufgenommen, kann auch ein geringerer Grad zur Leistung führen. Nach der Arbeitsunfähigkeit würde die Leistung auch wieder wegfallen, aber ohne diese Klausel hätte man auch erst keine Leistung erhalten.

Beispiel: EDV Fachmann, Programmierer, oder Grafiker könnten unter vielen Voraussetzungen zwar 100% arbeitsunfähig sein, im Sinne der BU-Bedingungen könnte man ihnen aber noch eine Berufsfähigkeit von über 50% unterstellen, so dass keine Leistungen anerkannt werden. Mit einer AU-Klausel hätte die versicherte Person jedoch wohlmöglich einen Anspruch.

4. Ist bei einer Arbeitsunfähigkeits-Klausel (AU-Klausel) die Prüfung mit einer Berufsunfähigkeit gleich zusetzen?

Auch bei einer Arbeitsunfähigkeit muss die Frist 6 Monate bestehen. Bei Antragstellung auf BU-Leistung wird nach unseren Erfahrungen der gleiche Leistungsantrag für die Prüfung auf Berufsunfähigkeit genutzt. Das hat sich als Vorteil erwiesen, da die versicherte Person nicht doppelt belastet werden muss, wenn sich die Krankheit oder die Folgen eines Unfalls sich zusätzlich verschlechtern sollten. Somit liegen dem Versicherer bereits alle Unterlagen vor, wenn nach 6 Monaten weiter auch auf eine Berufsunfähigkeit geprüft wird. Ist noch keine Berufsunfähigkeit festgestellt, aber die versicherte Person ist bereits ununterbrochen 6 Monate arbeitsunfähig, zahlt erst einmal der Versicherer auch rückwirkend, unabhängig ob eine 50%‘tige Berufsunfähigkeit vorlag oder vorliegt. Das erleichtert die Leistungsanerkennung sehr, besonders bei einer verspäteten Anmeldung die nach 6 Monaten erfolgte. Sollte es dennoch rechtliche Schwierigkeiten geben, so sind die Bedingungen überwiegend recht klar definiert, so dass ein Fachanwalt mit wenig Aufwand die Leistungszahlung durchsetzen kann, zudem unterstützen schriftliche Aussagen und Prospekte den Prozess. Wir konnten bis jetzt in keinem Fall eine negative, sondern ausschließlich positive Erfahrungen sammeln. Eine AU-Klausel stellte sich als Vorteil heraus und reduzierte den Aufwand.

5. Kann die Anerkennung einer Arbeitsunfähigkeit als Berufsunfähigkeit, eventuell zu Nachteilen einer privaten Kranken-Tagegeldversicherung führen?

Ja, aber das hängt von den Krankentagegeldbedingungen ab und ob die versicherte Person angestellt oder selbständig ist. Die versicherte Person sollte im Zusammenhang mit der Antragstellung auf BU-Leistung gemeinsam mit dem Vermittler prüfen, ob dies eine Gefahr darstellt, wenn bereits die Aussicht der Genesung nach 6 Monaten erkennbar ist. In diesem Fall könnte es sinnvoll sein, die BU-Leistung in Anspruch zu nehmen. Liegt eine Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vor, muss die versicherte Person unabhängig von der Gesellschaft damit rechnen, dass der Krankentagegeldversicherer seine Leistung einstellt. Bei einem kurzen Zeitraum von 6-12 Monaten ist uns jedoch noch kein Fall bekannt, das ein Tagegeldversicherer seine Leistungen bei einer Berufsunfähigkeit aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit einstellte. Der Vermittler sollte aber im Rahmen seiner Beratungspflichten auf einen sehr guten Tagegeld-Tarif hinweisen und eventuell bestehende Tarife überprüfen (auch hier gibt es nur wenig zu empfehlene Tarife).

© fairtest & Bert Heidekamp

01.03.2013

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