Ist die Behandlung einer Suchterkrankung im Rahmen einer Arztanordnungsklausel zumutbar?

Suchterkrankungen sind schwere Erkrankungen die hochkompliziert und in der Behandlung sehr aufwendig sind. Neben der Sucht selbst sind meistens auch psychische Probleme zusammenhängend gegeben und auch oft Auslöser.

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Versicherer neigen häufiger dazu, in ihren Arztanordnungsklauseln die Befolgung von zumutbaren Heilbehandlungen auch auf Suchterkrankungen zu erweitern. Hier zwei Beispiele:


Verletzt die versicherte Person Mitwirkungspflichten, ist der Versicherer berechtigt die Leistung zu kürzen oder zu versagen!

Erklärung: Beispiele der Suchterkrankungen könnten sein: Magersucht, Essstörungen, Alkohol, Medikamenten, aber auch Rauschgiftsucht. Spielsucht-Erkrankungen kommen z.B. nie alleine her und es gehen andere Symptome von Krankheiten voraus, z.B. Depressionen. Eine Medikamentensucht könnte durch ein anderes Leiden parallel schleichend entstehen, ohne direkten Willen der versicherten Person bzw. auch die Risiken im Voraus zu kennen. Nicht selten neigt auch die Nahrungsmittelindustrie dazu, durch die Hinzugabe von zusätzlichen Mitteln die Konsumenten abhängig zu machen. Die Folgen sind dann neben den Gewichtsproblemen neben Kreislauf- und Krankheiten des Bewegungsapparates, der wiederkehrende Heißhunger auf bestimmte Nahrungsmittel, die bis zu einer Essstörung führen können. Ist diese Person z.B. noch depressiv, ohne Lebensmut und ohne Antrieb, suchen viele in diesen Abhängigkeiten Ausgleichsmomente des Glücklich seins. Das ist ein schrecklicher Kreislauf in dem die Kranken schwer wieder heraus kommen.


Die Ausprägungen von Sucht sind also sehr unterschiedlich, so versuchen Betroffene ein Leiden z.B. durch Glücksmomente zu ergänzen. Oft ist eine Suchterkrankung gleichzeitig eine geliebte und gehasste Sucht und nicht selten lebensbedrohlich, auch u.U. mit Folgen von Multiorganversagen verbunden. Die Behandlungen sind für die Betroffenen gegenüber der Sucht selbst oft sehr hart und unter den „Begriff“ zumutbar kaum oder gar nicht einzusortieren, zudem werden Suchtkranke selten geheilt. Ob die Behandlung einer Suchterkrankung für die versicherte Person zumutbar ist, lässt sich durch ein Urteil (BGH aus 1994) zum Stichwort „Operationen“ näher erklären:

"Die Operation muss einfach und gefahrlos sein, nicht mit besonderen Schmerzen verbunden sein und sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung bieten. Keineswegs ausreichend ist, dass die Operation aus ärztlicher Sicht unter Abwägung ihrer Chancen und Risiken zu empfehlen ist und dementsprechend von Ärzten angeraten wird. Eine medizinische Operationsindikation allein genügt nicht."

Entscheidend ist hier das Wort "sichere Aussicht". Da z.B. bei einer Entziehungskur Rückfallquoten von mehr als  80% zu verzeichnen sind, kann von einer "sicheren" Aussicht keine Rede sein, auch dann nicht, wenn eine "hohe Wahrscheinlichkeit" ausreichend sein soll.

Ergänzend dazu urteilte das OLG Karlsruhe 2003:

"Eine ärztliche Anordnung muss der Versicherte nicht befolgen, wenn die vorgeschlagene Therapie keine Aussicht auf Erfolg bietet. Dies gilt auch dann, wenn die Erfolgsaussicht wegen des notwendigen aber nicht vorhandenen Psychotherapieverständnisses des Versicherten fehlt."

Mit einer Psychotherapie ist man somit sehr nah an einer Entziehungskur, weil in beiden Fällen die Einsicht des Patienten in die Notwendigkeit der Therapie die wesentliche Voraussetzung für den Therapieerfolg ist. Wenn die versicherte Person nun eine Entziehungskur machen soll, aber nicht will, fehlt es ihm am "Therapieverständnis" und die „Anordnung“ ist gegenstandslos. Zudem bleibt die Frage offen, welcher Arzt die „Anordnung“ aussprechen darf und dies wird auch unterschiedlich beurteilt.

Dazu urteilte das OLG Saarbrücken 2001:

"Ärztliche Anordnungen sind nicht Therapieempfehlungen des vom Versicherer oder vom Gericht beauftragten Sachverständigen. Das Nichtbefolgen dieser Empfehlungen durch den VN ist deshalb für die Leistungspflicht des Versicherers ohne Bedeutung."

Wenn also die behandelnden Ärzte davon ausgehen, dass die Therapie nicht erfolgversprechend ist, da es an einer "sicheren Aussicht" fehlt, ist die Meinung des Versicherungsarztes unerheblich.

Fazit: Eine Entziehungskur kann nicht verlangt werden, wenn der Versicherte sie nicht will und diese unzumutbar ist. Hat der Versicherer jedoch in der „Arztanordnungsklausel“ eine Behandlung einer Suchterkrankung als zumutbar erklärt, wird dies automatisch zu Rechtstreitigkeiten führen und  unzumutbaren Belastungen für die versicherte Person bedeuten.

Ist keine Arztanordnungsklausel in den Bedingungen enthalten, kann der versicherten Person nicht so einfach die Anordnung einer Suchterkrankung als zumutbar unterstellt werden. Es stellt sich also die Frage, ob der Versicherer in der Arztanordnungsklausel auf eine Nennung verzichtet, dass die Anordnung einer Suchtbehandlung als zumutbar erklärt.


Versicherer mit einer Klausel, dass die Heilbehandlungen von Suchterkrankungen als zumutbar erklären, sollten gemieden werden.


Bert Heidekamp
23.06.2013

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