Einen gelernten Maler kann man nicht verweisen auf eine Schulhausmeister-Tätigkeit (OLG Karlsruhe 30.12.2011 12U140/11)

Das OLG Karlsruhe (30.12.2011 12U140/11) hat entschieden, dass eine Verweisung nicht grundsächlich erfolgen kann, sondern vielmehr ein Vergleich im Einzelfall erfolgen muss. So hat ein Maler nach Berufung sein Recht bekommen und musste sich nicht auf eine Schulhausmeister-Tätigkeit durch den Versicherer verweisen lassen. Die Berufung hatte aufgrund einer genauen Prüfung, welche Kenntnisse und Erfahrungen im Verweisungsberuf notwendig sind, Erfolg. Vorteilhaft war, dass die Bedingungen keine abstrakte Verweisung vorsah.


Auszug aus den Bedingungen der Versicherungsgesellschaft

„Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt nicht vor, wenn die versicherte Person nach Eintritts des in Absatz 1, 2 oder 3 beschriebenen Zustands eine andere, ihrer Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausübt und sie dazu aufgrund ihrer gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50% in der Lage ist.

Unter der bisherigen Lebensstellung ist die Lebensstellung in finanzieller und sozialer Hinsicht zu verstehen, die vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung gemäß Absatz 1 oder 2 bestanden hat. Die dabei für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung wird von uns je nach Lage des Einzelfalles auf die im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegte Größe im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf, vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung, begrenzt.“

Die versicherte Person war als gelernter Maler über 15 Jahre tätig, mit einigen Unterbrechungen im Winter, was im Bauhandwerk und in Baunebenberufe üblich ist. Nach einem Arbeitgeberwechsel im Jahr 2007 ereignete sich nach knapp drei Monaten ein Arbeitsunfall der zu einer Berufsunfähigkeit führte. Der Versicherer zahlte für ca. zwei Jahre die versicherte dynamische Berufsunfähigkeits-Rente in Höhe von 1.119,14 Euro und stellte die Rentenzahlung aufgrund neuer Erkenntnisse aus einer Nachprüfung ein, wo der Versicherer feststellte, dass die versicherte Person eine Tätigkeit als Schulhausmeister bei der Gemeinde aufgenommen hat und neben den eigentlichen Hausmeisterpflichten in den Pausen Lebensmittel an die Angehörigen der Schule verkaufte.

Der Versicherer stellte die Leistung der Rentenzahlung ein, da sie die Meinung vertreten hatte, dass die versicherte Person sich auf den Hausmeisterberuf verweisen lassen müsse. Im Hinblick auf die Qualifikation und die beruflichen Anforderungen, sowie der wechselnde Erwerbsbiographie und auch keine unzumutbaren Einkommenseinbußen bestehen, wäre die neue Tätigkeit im Sinne der BU-Definition und Lebensstellung vergleichbar. Das Landgericht bestätigte die Auffassung des Versicherers. Die versicherte Person legte Berufung ein und hatte Erfolg, da das Landgericht den in den Versicherungsbedingungen verwendeten Begriff der Ausbildung verkannt habe.

Entscheidungsgründe

Die Ausbildung als Maler hatte keine Ähnlichkeit mit dem Beruf eines Schulhausmeisters, da man sich als Schulhausmeister man sich nur auf handwerkliche Ausbesserungsmaßnahmen beschränke und Schüler und Lehrer z.B. mit Material versorgt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch das Einkommen nicht vergleichbar und die soziale Wertschätzung mit der Ausbildung eines Malers nicht gleich zu setzen. Eine besondere - insbesondere handwerkliche - Qualifikation als Hausmeister ist nicht gegeben. Gegenüber einem ausgebildeten Maler prägt die soziale Wertschätzung eines Hausmeisters eher, dass diesem in vielerlei Hinsicht die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler, etwa vor gefährlichen Gegenständen oder Glätte, anvertraut ist und seine Arbeit einige Flexibilität und Organisationsvermögen verlangt.

Das betrifft insbesondere die Ausgabe von Kreide, Schwamm und Lappen, die Beaufsichtigung des Hofdienstes und die Verrichtung von Botendiensten (Transport der Post zum Rathaus und zur Post), das Leeren der Mülleimer, das Rasenmähen und Unkrautjäten im Außenbereich sowie die Kontrolle von Sanitäreinrichtungen. Handwerklichen Tätigkeiten kommt daneben (Auswechseln von Glühbirnen in einer Höhe unterhalb von 2 m, Auswechseln von Toilettendeckeln, gelegentliches Richten von Türgriffen, Anbringen abgerissener Haken u. ä.) nur relativ geringes Gewicht zu; es handelt sich zudem um Tätigkeiten, für die gewöhnlich keine handwerkliche Ausbildung benötigt wird, sondern die auch Laien in der eigenen Wohnung selbst zu verrichten pflegen.

Das Landgericht habe es zudem versäumt, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, ob die versicherte Person den neuen Beruf ohne gesundheitliche Überforderung überhaupt ausüben könne, da die Arbeit als Hausmeister zudem überobligatorisch sei, weil das erforderliche häufige Treppensteigen zu einer übermäßigen Belastung des unfallgeschädigten Fußgelenks führe.

Fazit:
Entscheidend ist also in erster Linie, ob eine Vergleichstätigkeit dann gefunden ist, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert (BGH, a. a. O., Rn. 11).

Quelle 2:  http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=15147

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